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Das Wochenende war phantastisch und anstrengend. Wir hatten uns bereits letzten Winter vorgenommen, den Schwedenofen aus der Pheripherie der Wohnung ins Zentrum zu verlegen. Die in den Zimmern verbauten Ölöfen geben warm. Und doch wurden wir nicht warm mit diesen.

Ästhetisch hatte sich der Kaminofen wundervoll in die Wohnzimmerecke direkt hinter der Tür gefügt. Aber dieser Standort war in vielerlei Hnisicht unpraktisch: Er lag in jenem Teil der Wohnung, in dem wir uns kaum aufhielten, und er lag direkt neben der Tür, deren altweißer Lack bei allzu großer Hitze anfing, Blasen zu werfen.

Wohlige Wochenendprojekte

Der Eingangsbereich unserer Wohnung ist groß – keine Eingangshalle, aber doch groß genug, um den Ofen aufzunehmen. Und so schien das Herz der Wohnung der ideale Ort für unseren wärmespendenden Freund.

Doch entgegen der anfänglichen Einschätzung, tat ich mich schwer, den nötigen Kaminzugang für das Rauchrohr anzulegen. Das war eine Herausforderung, die mich zwar erst zur Verzweiflung trieb, mir aber nach der Bewältigung große Befriedigung verschaffte.

Der Umbau machte also Spaß, war lehrreich und bot eine tolle Möglichkeit, Energie, handwerkliches Grundgeschick und Lösungskompetenz unterzubringen.

Und als würde das als Wochenendprojekt noch nicht reichen, habe ich letzte Woche den Rückbau eines früheren Unternehmensprojektes initiiert. In der Folge war ich zeitnah gefordert, Änderungen an der Webseite vorzunehmen, und Neues in diesem Projekt in Sachen existenzieller Tanzkunst auf den Weg zu bringen.

So werkelten meine Süße und ich das ganze Wochenende freudig und geschäftig vor uns hin – mit kleinen angenehmen Ausbrüchen in Richtung Sonne und Nachbarn.

Echte oder irgendwie nützliche Nöte?

Nach den letzten handwerklichen Aktivitäten und Aufräumarbeiten heute morgen, blicke ich jetzt auf das Geschaffte zurück und bin zufrieden. Nicht nur das, ich fühle mich wundervoll schwer, freudig kribbelnd und entspannt.

Und dennoch tue ich mich schwer, loszulassen, mich dieser Schwere, dieser angenehmen Mattigkeit und wohlverdienten Müdigkeit hinzugeben. Gerade so, als müsste ich heute noch ein paar Berge und Bäume durch die Landschaft wuchten oder Antworten auf anspruchsvolle Fragen finden, die ich gestern, vorgestern und bereits letzten Monat nicht fand.

In den letzten Jahren habe ich große Fortschritte gemacht. Dennoch bleiben Themen, bei denen es mir schwer fällt, mich dem Leben anzuvertrauen. Und es sind diese, die nach getaner Arbeit oder am frühen Morgen als erstes freudig klopfend vor der Tür stehen.

Bei diesen gelingt es mir immer noch nicht, das körperliche und mentale Gezappel wegzulassen, um der Stille, der Erfüllung und den kleinen Erfolgen ihren Platz im momentanen, ganz privaten Rampenlicht zu gönnen.

  • Manchmal scheint es mir so, als läge es tatsächlich an den äußeren Anforderungen, von denen diese Themen handeln.
  • Manchmal scheint es mir, als läge es tatsächlich an jenen Nöten, die sich im Laufe der Jahre die Klinke in die Hand gegeben haben.
  • Manchmal scheint es mir, als hinge wirklich etwas Entscheidendes davon ab, dass ich jene Zügel in der Hand behalte, mit denen ich mich durchs Leben zu lenken meine.

Selbstsabotagestrategien

Dabei bin ich es doch, der sich mit eingebileten Schreckenszenarien und Zukunftsängsten von jener inneren Einkehr abhält, bei welcher Kopf, Körper und Seele in die weite, vibrierende und unfassbare Mitte zurückkehren.

Mit düsteren Gedanken und Geschichten rede ich mir wer weiß was ein und komme dabei regelmäßig zu zwei Ergebnisvarianten, mit denen ich weder etwas Echtes, noch etwas Verlässliches in meinem Leben schaffe:

  1. Äußeres Gezappel oder
  2. grübelintensive Passivität.

Für die wesentlichen, lebendigen und erfüllenden Alternativen dazu bleibt dann fast kein Raum. Denn das wären

  • mutiges, wahrhaftiges und kraftvolles Handeln einerseits sowie
  • heilsame, vertrauensvolle und inspirierende Ruhe andererseits.

Kennst du das auch?

  • Wann hast du das letzte mal die Zügel losgelassen, um herauszufinden, was das Pferd macht, wenn du dich mit deinen Schenkeln behutsam und vertrauensvoll anschmiegst?
  • Wann hast du das letzte mal dem Leben die Verantwortung für Richtung, Gangart und Geschwindigkeit zurück übertragen?
  • Wann hast du es zuletzt gewagt, deinem Gespür fürs Wesentliche zu folgen, während du dich gleichzeitig durch eine Angst bedränkt fühltest, die dich zurückhalten und ausbremsen wollte?

Das Tor, das wir meiden

Entgegen unserer tiefen Überzeugung, den Manipulationstaktiken moderner Massenwerbung und der Politik hat unsere existenzielle Angst wenig mit bedrohlichen äußeren Entwicklungen zu tun.

Das gilt auch dann, wenn wir diese äußeren Bedrohungen ausdauernd im Chor sozialen Gleichklangs als Begründung für übereifriges Wursteln, aggressives Verhalten im Zwischenmenschlichen oder unsere zurückgezogene Lebensverweigerung anführen.

Tatsächlich haben wir große Angst, unsere Kontrollversuche aufzugeben und uns dem Leben anzuvertrauen. Wieso? Weil wir ahnen, dass da eine innere Revolution auf uns lauert, die unsere Sicht auf uns selbst, unser Handeln und die Welt auf den Kopf stellen würde.

Existenzielle Angst in konventioneller Kleidung

Es handelt sich dabei um eine übermenschlich große und schwer zu fassende Furcht vor Auslöschung und Niedergang, die wir die meiste Zeit auf die äußeren Phänomene unseres Lebens projizieren.

  • Verrückt werden
  • Auf der Straße landen
  • Verarmen und/oder Vereinsamen
  • An schlimmen Krankheiten leiden und sterben
  • Den Arbeitsplatz, die Familie und die Zugehörigkeit zur sozialen Gemeinschaft verlieren

Das sind die in unserer Kultur gängigen Varianten dieser nach außen projizierten existenziellen Angst. Oder anders formuliert: Das sind die gängigen Klischees, in die wir unsere fundamentale Angst vor der unbändigen Kraft und Dynamik des Lebens kleiden.

Dann doch lieber abwechselnd weiter zappeln und ohnmächtig entkräftet am Rande des Lebens die Zeit totschlagen.

Dummerweise verbauen wir uns so den Zugang zu dem, was in und hinter dieser Angst auf uns wartet. Und das ist deswegen ganz besonders schade, weil es sich dabei um das handelt, wonach wir uns am meisten sehnen:

Bedingungsloses Glück, eine unbändige Lebenskraft und eine unendlich tiefe, heilsame und befreiende Gelassenheit.

Wesentliche Entwicklungen wagen

Die wesentliche Herausforderung besteht darin, die existenziellen Wagnisse einzugehen. Denn auch wenn uns unsere Angst zu warnen scheint, so sind wir doch immer in wesentlicher Richtung unterwegs, wenn uns unsere tiefe Sehnsucht sowie unser Gespür fürs Stimmige und Lustvolle locken.

Für mich kann das manchmal heißen, auf dem Sofa liegenzubleiben und das Gegrübel und Gezappel einzustellen, auch wenn mich die vertrauten Nöte zurück auf die Rennbahn oder den Acker rufen.

Es kann auch heißen, diesen gewichtigen Artikel mit spirituellem Tiefgang zu schreiben, der mich Kraft und Mut kostet.

Es kann auch heißen, nachts um vier aufzustehen, weil das Leben mich an den Schreibtisch oder aufs Sofa ruft, auch wenn das gar nicht so recht zu meinen Vorstellung von gesundem Nachtschlaf sowie Selbst- und Zeitmanagement passen will.

Es ist egal, wie abstrus oder gar absurd die jeweilige existenzielle Einladung durch unsere Augen oder die Augen eines anderen erscheinen mag.

Uns auf diese wesentlichen Einladungen aber einzulassen, während unsere Knie heftig schlottern, heißt, unser kleinkariertes, ängstliches Kontrollbedürfnis gegen (De)Mut und Vertrauen ins Leben einzutauschen.

Der Lohn des zügellosen Lebens

Wenn wir das tun, das lehrt mich meine Erfahrung, dann belohnt uns das Leben mit Kraft, Klarheit und verlässlicher Orientierung.

Mit jedem Lebensbereich und jeder Not, bei der wir unser Gezappel und unser Kontrollbedürfnis zugunsten einer wesentlichen und stimmigen Entwicklung zurückfahren, werden wir gelassener, leichter und innerlich freier.

Nach und nach machen wir die Erfahrung, das wir uns einer Illusion hingeben hatten, als wir glaubten, wir hätten alles im Griff.

Wir erkennen, dass wir die vermeintlichen Zügel genutzt haben, um uns selbst verkrampft festzuhalten. Dummerweise führten wir das Pferd so in die Walachei eines manchmal absurden, häufig sinnleeren und fremden Lebens.

Jetzt wo wir die “Zügel” loslassen, erkennen wir, dass wir erst im innigen Dialog mit dem Pferd über direkten Körperkontakt unserer wesentlichen Spur treu bleiben.

Wenn wir dort loslassen, wo es uns besonders schwer fällt, und uns dem Leben anvertrauen, weil es uns ruft, dann machen wir die Erfahrung, dass uns das Leben hält, führt und trägt.

Wir machen die Erfahrung, dass wir in diesem magischen Dialog mit dem Leben außerordentlich kraftvoll und lebensfähig sind. Darüber hinaus finden wir Zugang zu einer nahezu unerschütterlichen Leichtigkeit und Heiterkeit.

Gelassen Energie abgreifen

In diesem Sinne gehe ich jetzt noch einmal in den Flur, um unseren netten und uns gewogenen Kaminofen im Herzen dieser wundervoll einfachen und lebenswerten Wohnung zu bestaunen. Und gleich danach hau ich mich aufs Sofa und freue mich noch ein bisschen am wohligen Kribbeln im Körper und an der nächtlichen Ruhe.

Und wenn die düsteren Gedanken auftauchen, dann, äh, dann, winke ich ihnen einfach bei der Durchreise zu und schnappe mir die Energie, die sie mit sich führen, um damit irgendetwas Tolles, Lustiges und Lebenswertes zu fabrizieren.

Bildquelle: Cooles Pferd | Gabriela Kucerova | Unsplash

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