Wissen Sie eigentlich, wie viele Leben Ihnen noch zustehen? Oder zugemutet werden? Das hängt ja von der Perspektive ab… Also unter uns: Ich habe überhaupt keine Ahnung. Möglicherweise kommt keins mehr nach diesem. Oder eins als, wie hieß dieser Parasit auf Facebook doch gleich, Neu-Guinea Plattwurm, genau! Schnecken und andere wirbellose Tiere futtern? Nicht mit mir.
Und mit diesen ungewissen Aussichten:
- Wie viel Zeit bleibt Ihnen noch für dieses Leben?
- Haben Sie den Zenit schon überschritten?
- Also, wenn Sie auf die Statistik vertrauen und hoffen, dass Sie mindestens das Durchschnittsalter erreichen?
Den Tag maximal ausbeuten
Unter uns: Heute sind schon einige Menschen gestorben. Gut, darüber spricht man nicht. Allenfalls, wenn es um außergewöhnliche Katastrophen und Zwischenfälle geht. Was den Tod angeht ist uns alles recht, was möglichst wenig mit uns und unserem Alltag zu tun hat. Irgendwelche fremde Menschen in fernen Ländern? Naturkatastrophen? Kriege? Immer her damit. Kann mir mal jemand Chips und Cola reichen. Huch, da sterben Sie wieder … Ach, ist das schlimm …
Aber berichte mir keiner von Unfällen, Krebs oder Herzinfarkten in der Nachbarschaft … Ein Mensch meines Alters? Gestorben? Gott bewahre. Wo bleiben die Chips? Oder besser: Gib mal den Schnaps rüber!
Da kann man schon mal auf die Idee kommen, Tote-Dichter-mäßig etwas aus dem Tag zu machen – Carpe Diem – Sie wissen schon. Aber, wie genau macht man das? Welche Möglichkeit des maximalen Tagausbeutens wollen wir nutzen?
- So viele Sexualpartner wir möglich flachlegen?
- Wenigstens virtuell mit dem manisch-klickenden Zeigefinger auf der Maus beim Überfliegen allgegenwärtiger Porno-Seiten?
- Mit dem geilsten mietbaren Luxusgefährt die Hauptstraße des Heimatortes wummernd und vibrierend rauf und runter fahren?
- Irgendwelche naiven Alten ausnehmen?
- Oder einfach Geschäftspartner und Kunden übers Ohr hauen?
- Wie jetzt? Den Wohltäter spielen? Die Welt retten? Veganismus propagieren?
- Gleichmütig in Japanisch anmutenden Meditationsräumen, die Gegenwart zelebrieren und alles Zerebrale vorbeiziehen lassen?
- Vielleicht eine maximale Anzahl dieser Möglichkeiten in einem Tag kombinieren?
Aber wie steht es dann mit diesem Großvaterspruch:
„Lebe so, als sei dies dein letzter Tag und so, als würdest du noch hundert Jahre leben – gleichzeitig!“
Da wird es schon komplizierter. Dann wird es vielleicht gefährlich, die Moral über Bord zu werfen, oder schlimmer, unser Gewissen.
Zwischen Glückssuche und Rentenversicherung
Habe ich das Wort „Dilemma“ schon bemüht? Eingeklemmt zwischen besinnungsloser Glückssuche und Hoffen auf die Rentenversicherung. Vielleicht sind das beides existenzielle Nieten. Und wie steht es mit den großen Antworten? Liebe, Nächstenliebe, Familie, Umweltschutz, Friedensbewegung, Katzen aus Bäumen retten? Ist alles schön und gut – jeder hat da so seine Vorlieben. Aber hilft uns das wirklich weiter?
Es gibt nur eine Antwort auf die Frage, wie wir unsere Tage verbringen sollen, wenn wir es nachhaltig lustig haben wollen. Zumindest dann, wenn wir uns der Tatsache stellen, dass wir möglicherweise als Ungeziefer wieder auf die Welt kommen oder gar nicht und darüber hinaus keine Ahnung haben, wann wir das Zeitliche segnen werden.
Wir müssen unsere existenziellen Entwicklungseinladungen gelassen ernst nehmen.
Wow! Was verrät uns der Duden über Existenzielles?
- das im Erleben und Handeln sich erschließende, wesenhafte menschliche Dasein (das Dasein hinsichtlich seines Seinscharakters) betreffend; wesenhaft daseinsmäßig
- das Dasein, die Existenz wesentlich betreffend; lebenswichtig.
Hm, ich bin mir nicht sicher, ob uns das jetzt wirklich weiter hilft …
Entwicklungseinladung? 82 Ergebnisse auf Google und kein einziger Treffer. Das Wort muss ich wohl selbst erfunden haben. Und ich dachte damit würden schon andere Sozialarbeiter und Pädagogen hausieren gehen.
Wie das Megaprojekt meistern?
Es gibt also wichtige Einladungen, um die wir uns kümmern sollen, behaupte ich. Doch wenn wir ehrlich sind, dann gibt es da richtig fies Verworrene. Würden wir die Einladungen sonst ignorieren? Es gibt Aufgaben, die uns radikal an unsere Grenzen führen. Da liegt es doch nahe, Hilfe zu suchen.
Doch so naheliegend und verständlich ich das finde, schließlich bin ich Coach, scheint es mir schwierig, kostspielig (das signalisieren mir (potentielle) Kunden am laufenden Band) und manchmal irreführend für die Bewältigung unseres existenziellen Megaprojekts – also unseres Lebens mit seinen ganzen angenehmen und unbequemen Einladungen – immer wieder Dritte, wie Coaches, Therapeuten und Priester einzuspannen.
Diese können in ausgewählten Situationen von großer Wichtigkeit sein – aber nicht als kontinuierliche Mentoren, Ersatzpapis und -mamis oder Instanzen, bei denen wir uns unserer Selbstverantwortung entledigen.
Gleichsam wird es zu einem Lotteriespiel, wenn wir uns unreflektiert und ohne Steuerkompetenz (nein, das hat nichts mit dem Finanzamt zu tun…) in die Fluten existenzieller Entwicklungsmöglichkeiten werfen. Denn dann treiben wir doch nur auf den Weiten des Lebensozeans, voller Sehnsucht und ohne echte Orientierung.
Auf ins kleine Glück
Natürlich, irgendwann vor langer Zeit sind wir zu großen Abenteuern aufgebrochen. Erinnern Sie sich noch daran? Aber mit den ersten Rückschlägen und sozial genährten Untergangsphantasien war schnell wieder Schluss mit dem jugendlichen Übermut. Wer wird sein spannendes Leben schon leben wollen, wenn er es auch belanglos und abgesichert vertrödeln kann? Wäre ja noch schöner…
Also steuern wir brav, wie all die anderen, die nächstbeste Insel an. Auf dieser ist allzeit für wirkungsvolle Ablenkung von den tieferen Fragen des Lebens gesorgt. Brot und Spiele – in den modernen westlichen Zivilisationen auf nahezu perversem Niveau. Wer dazu keinen Zugang findet oder es ein bisschen knackiger braucht, macht sich das Leben mit spannenden und komplexen, aber existenziell wenig relevanten Fragen und Problemen zur Hölle.
Wir sind froh angesichts der überstandenen (kurzen) Reise. Glücklicherweise sind wir nicht ans Ende der Welt geraten und von der Scheibe ins unermessliche Nirgendwo gefallen oder von einer Riesenwelle in die Fluten gerissen worden. Also lassen wir uns nieder und richten uns in einem irgendwie normalen Leben ein. Manchmal ist es so normal, also durchschnittlich und so von Normen bestimmt, dass wir selbst kaum noch darin vorkommen.
- Was kümmern uns schon der Ruf des Abenteuers und die großen Lebensexpeditionen, zu denen wir ursprünglich einmal aufgebrochen sind?
- Was kümmert uns unser eigentliches Leben, wenn wir es doch hier in der Gesellschaft und Geselligkeit der anderen lustigen Verräter einigermaßen sicher und behaglich haben?
- Was kümmern uns die großen Herausforderungen, haben wir doch genug damit zu tun, die vielen kleine Widrigkeiten des Alltags zu bewältigen?
Sie haben recht: Wen kümmert’s? Und mit dieser Haltung kommen wir meist eine ganze Weile durch. Unser Leben vibriert nicht gerade vor wohliger Intensität, aber wir entschädigen uns mit künstlicher Vibration, im Zweifelsfall mit Stress und ständiger Anspannung. Wir strecken uns vielleicht nach irgendeiner Decke, im schlimmsten Fall der Gefängnisdecke unseres beengten Alltags, aber nicht nach den Sternen. Wir sind vielleicht geschäftig, aber selten mit ganzem Wesen aktiv.
Wir sind allenfalls cool und gleichgültig. Aber gelassen? Wir schrauben und werkeln an unserer materiellen Absicherung wie die Elsässer an Ihren Häusern. Aber wo wohnen jene, die das Leben in ihren fleißig ausgebastelten Familienburgen tatsächlich genießen? Und wie steht’s mit Geborgenheit und Vertrauen? Genau: Die sind alle unbekannt verzogen …
Die grosse existenzielle Keule
Früher oder später aber, wird der Ruf des Lebens zu einem Imperativ:
Innere Leere, Burnout, koronare Herzerkrankungen, psychische Phänomene, Erkrankungen insgesamt, Unfälle, Sinnfragen, erdrückende Ernsthaftigkeit, ermüdende Eintönigkeit, Mangel an echter menschlicher Nähe und einem Austausch, der uns wirklich in der Tiefe ernährt machen sich breit.
Spätestens dann wird es Zeit, uns wieder auf die Reise zu machen. Vorbereitend müssen wir das Kartenmaterial und die Navigationsinstrumente aus den Sedimenten unserer Komfort- oder vertrauten Überforderungszone klopfen. Und wir müssen uns jene Steuerkompetenz aneignen, deren Fehlen uns bisher davon abgehalten hat, unser wirkliches Leben in seiner ganzen Fülle zu leben.
Was es mit alldem auf sich hat? Nun, genau darum geht es in diesen Selbst-Coaching-Impulsen:
- Uns selbst und das Leben hinterfragen
- In Kontakt kommen, mit unseren echten Anliegen
- Wesentliche Ziele setzen und darauf zusteuern
- Entwicklungen anbahnen und vollziehen
- Uns kontinuierlich aufs Wesentliche ausrichten
Aber erst einmal müssen wir den Rahmen schaffen. Ein Stückchen weiter sind wir heute schon gekommen.
A propos
Wo stehen Sie aktuell eigentlich? Etwas aufgerüttelt nach diesem unhöflichen Weckruf? Drauf und dran, in See zu stechen? Oder fühlen Sie sich noch pudel- oder wenigstens einigermaßen wohl in Ihrer Welt? Wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen Selbst-Coaching und unserem vertrauten Grübel-Style? Hoffentlich habe ich diese Fragen bis zum nächsten Mal nicht vergessen… Und das nächste Mal, wann wird das wohl sein?
Und jetzt wird es wieder Zeit: Plug in your headphones or turn up them speakers. Weil es mehr oder weniger darum ging, sich zu trauen, kommt hier Bodo Wartke mit seinem Klassiker “Ich trau’ mich nicht”
Indem du auf das Video klickst, lädst du ein Youtube Video auf dieser Seite. Dabei werden automatisch Daten von deinem Computer zu Youtube übertragen.