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Viele Menschen treten seit Jahren aus den Kirchen aus. Religion, religiöse Begriffe und Gespräche über Gott und die Welt unterliegen einem Coolness-Tabu. Doch diese Coolness, die wir uns selbst auferlegen steht im Widerspruch zu unserem existenziell verunsicherten und orientierungslosen Eiern durch die Lebenslandschaft. Wir reden uns selbst und anderen beständig ein, wir kämen ohne den ganze Kram aus. Und dies aus gutem Grund! Aber stimmt das wirklich? Kommen wir ohne aus? Sind religiöse Traditionen tatsächlich am Ende?

Der christliche Glaube katholischer Geschmacksrichtung verlegt das Paradies in eine Zeit und einen Raum jenseits unserer irdischen Existenz. Wenn wir uns ordentlich benehmen, das heißt nicht aufmucken und die bestehende Ordnung (die es natürlich seit der Aufklärung im kirchlich-religiösen Sinne immer weniger gibt) unangetastet lassen.

Dann leiden wir zwar hier, aber wir dürfen uns über dieses Leiden hinweg trösten, wenn wir nachher zur Beichte gehen und unsere Sündenhaftigkeit bitter gestehen. Doch erst jenseits der Schwelle des Todes erwarten uns vollständige Rettung und Paradies. Ist das ein Lebenskonzept, welches Sie hinter dem Ofen hervor und in die kalte, ehrfurchtgebietende Kathedrale lockt?

In der protestantischen Variante dürfen wir uns zusätzlich abrackern. Wir dürfen versuchen, auf dem Weg hingebungsvoller Arbeit irdische Erfolge zu erzielen, welche Gottes Liebe zu uns und unsere Rechtschaffenheit vor den Augen der Gemeinschaft bezeugen und bestätigen.

Die weniger Erfolgreichen werden als weniger gottesfürchtig entlarvt und treiben sich selbst an, gerne auch unter der Knute gottesfürchtiger Ausbeuter, für Gottes Liebe zu knechten.

Sind wir erfolglos, dann sind wir schlecht. Sind wir erfolgreich, dürfen wir uns nicht (öffentlich) daran freuen. Die wahre Freude kommt später (nach dem Tod). Ist das ein Lebenskonzept, welches Sie voller Inbrunst in nüchternen Räumen lutherische Kirchenlieder anstimmen lässt?

Nun ist es natürlich überhaupt kein Wunder, dass unzählige Menschen die traditionellen kirchlichen Institutionen verlassen. Ein wesentlicher Zweck in diesen zu verbleiben besteht darin, die dort bestehende Ordnung zu konsumieren, also irgendeine Form von existenzieller Ordnung zu bewahren und in einer vereinzelnden Gesellschaft an einer Gemeinschaft teilzuhaben.

Dummerweise handelt es sich hierbei um eine Ordnung, die kaum noch Deckung mit der bestehenden „Unordnung“ unseres modernen Zusammenlebens aufweist und darum zu konflikthaften Spannungen zwischen religöser “Realität” und Alltag führen muss.

Kirchen und religiöse Institutionen bleiben in diesen wilden Zeiten Zuflucht für jene, die sich nach kollektiver Ordnung, kollektiven Ritualen und kollektiven Sinnkonstrukten sehnen. Denn religiös anmutender Markenwahn und andere hedonistisch aufgeladene Kulte eignen sich nicht für alle als alternativer Strohhalm und der andere Strohhalm, die Lebensverweigerung und vollständige Ohnmachtserklärung mit Zynismus und Gleichgültigkeit, ist gar keiner.

Die einzige echte Alternative, um die es im ganzen Boost Your Mission Projekt geht, der wahrhaftige, eigenwillige, oft als künstlerisch, exzentrisch oder philosophisch verlachte, im günstigeren Fall als mutig, eigensinnig und befremdlich tolerierte und im besten Fall als Lebenskunst, Befreiung und Innovation gefeierte Weg, wird immer noch selten gewählt.

Zu groß ist die Sehnsucht nach Zugehörigkeit auf überschaubarem Niveau, zu groß die Angst vor Spott und Ausschluss aus der Herde, zu groß die Unwägbarkeiten, die zeitweise Einsamkeit und die Nähe zu vermeintlich bedrohlichen existenziellen Abgründen.

Religiöse Institutionen bleiben somit trotz aller Kritik attraktiv, wo der direkte Weg zu Gott doch etwas zu gewagt und die direkte Führung durch das Leben doch etwas zu fordernd erscheint. Meister, Priester und Pfarrer vermitteln. Das hat zwar seinen Preis, aber den sind manche für die entsprechenden Strukturierungs-, Übersetzungs- und existenziellen Entlastungsleistungen gerne bereit zu bezahlen.

Ein sozial-spirituelles Theaterstück in welchem sich jeder, der das Spiel akzeptiert, seine Rolle vertraut macht und diese routiniert spielt. Ordnung eben, in der man sich einrichten und aufgeben kann. Eine brauchbare und vermeintlich risikofreie Alternative zu lebendigem Selbstvergessen, durchlässiger Individuation und tatkräftiger Transzendenz.

Wenn die Spannung zwischen religiöser “Realität” und Alltag zu groß wird, und das muss heute passieren, dann sind sektiererische Entwicklungen in den eingeschworenen religiösen Gemeinschaften die Folge.

Und das ist genau das, was wir sowohl bei modernen Psychosekten, anerkannten religiösen Sekten und bei amerikanischen Hetzpredigerverehrern beobachten können.

Denn entweder die Liberalität der äußeren Ordnung oder der Konservatismus der inneren muss über kurz oder lang aufgegeben werden, wenn Spannung und Konflikt gelöst werden sollen. Eine Ambivalenz auf welche die einen, die bleiben wollen, mit Radikalisierung und die anderen, die zum Gehen bereit sind, mit totaler Befreiung von Regeln, Gemeinschaft und Struktur reagieren.

Demut und Differenzierung der Institutionen selbst könnte Abhilfe schaffen und das Überleben der großen sinnstiftenden Institutionen als lebendige Organismen ermöglichen. Doch dann kämen die Vertreter dieser Institutionen in einen großen inneren Konflikt. Zumal dort, wo der Erhalt der Formen, Rituale und Rollen die eigene Identität, den eigenen Machtanspruch und die eigene Bedeutung absichert und eine Entwicklung hin zu weicheren, offeneren und lebendigeren Formen gelebter Spiritualität diese marode Identität zum Einsturz bringen würde.

Wenn diese größten Institutionen der Menschheitsgeschichte in der Lage wären, sich in einer Weise zu modernisieren, welche Moral und Dogmatik im Katholizismus, diakonische Ethik und politisches Selbstverständnis im Protestantismus sowie Ritual und festgesesetzte Übungsweisen im Buddhismus in den Hintergrund und individuelle spirituelle Praxis sowie gemeinsam kultivierte Erkenntnis in den Vordergrund treten ließe, dann wäre uns vielleicht geholfen. Doch eine solche Entwicklung scheint gegenwärtig sehr unwahrscheinlich.

Es ist kein Wunder, dass die östlichen Traditionen mit Yoga, Meditation und anderen Formen der Praxis in diesen Zeiten des existenziellen Flottierens deutlichen Zulauf erleben (während sich gleichzeitig die Frage stellt, welchen Beitrag sie über die [Geistes-]Wissenschaften seit Anfang des 20. Jahrhunderts auf das allgemeine Denken und die allgemeine Lebensweise hatten. Inwiefern sie dieses freie Flottieren also mit hervorgebracht haben).

Die Lebensmodelle Asiens sind komplexer, vermeintlich liberaler und friedfertiger. Sie lassen sich aufnehmen und ausdeuten wie es uns gerade passt. Sie sind an vielen Stellen von einem strafenden, liebenden sowie führenden Gott befreit, während „Weg“, „kosmische Ordnung“, „Leere“ und andere unscharfe Begriffe an dessen Stelle treten. Sie sind damit kompatibler mit der Illusion einer ethisch und demokratisch abgesicherten Freiheit, die den Einzelnen ermutigt, zu tun und zu lassen was er will, solange er mit seinem Handeln die Freiheit eines anderen nicht gefährdet.

Eine Kompatibilität mit unserem Freiheitsverständnis, die durchaus ihren Preis hat. Hier werden wir in die Pflicht genommen, für unsere Befreiung auf entsprechend bewährten „Pfaden“ hart an uns zu arbeiten. Wenn etwas nicht funktioniert, dann liegt es an unserem Ego, unserem komplizierten Verstand und unserem westlichen Individualismus. Die Methode und der Meister sind perfekt, der Mensch und Schüler im Zweifelsfall falsch. Willkommen in der wunderbaren Welt sanfter, liebevoller und achtsamer buddhistischer Unterweisung.

Anstelle der oben genannten Paradiese finden wir hier die Metapher der Erleuchtung. Eine spirituelle Karotte, der wir sehnsüchtig hinterher rennen und auf welche wir die gleichen Vorstellungen einer unerschütterlichen Glückseeligkeit projizieren wie auf die weltlicheren Paradiesvarianten.

Die aufgegebenen Sinnkonstrukte, Regeln und die verlorene Gemeinschaft unserer kulturell näheren spirituellen Herkunft ersetzen wir gerne mit den hier angebotenen exotischen Varianten und schwimmen auf ähnliche Weise wie zuvor gegen den Lebensstrom, doch fühlen uns endlich stimmig, ganz und auf der richtigen Spur.

Die ehemals kollektive Glaubenspraxis der monotheistischen Religionen verlegte die Erlösung vom irdischen Leiden auf die Rückseite des Lebens, den Tod, und stiftete zu hoffnungsvoller Tatenlosigkeit in Sachen Individuation, Revolution und Selbstbefreiung an. Echte, produktive Lebensfreude war verdächtig. Damit gab diese Form der “Religiosität” Anlass zu Karl Marx’ harscher, aber berechtigter Kritik, Religion sei “Opium des Volkes”.

Denn eine so gelebte “Religiosität” stabilisierte den Status Quo und stiftete die Massen dazu an, ihre Rolle und ihre Situation im konform ratternden Räderwerk, das mit Sonntagsreden, Jenseitsversprechungen und karitativen Zuwendungen geschmiert wurde, hinzunehmen.

Mit unseren Kirchenaustritten und der Abkehr von religiösen Lebensformen haben wir Marx’ Urteil unterschrieben. Doch konnten wir nicht ahnen, in welche Orientierungslosigkeit uns die Urteilsvollstreckung führen würde. Jetzt stehen wir da, befreit vom religiösen Käfig und wissen nicht, wie wir uns den wesentlichen Lebensfragen stellen sollen, die mit großer Beständigkeit, variabler Wucht und dauernd wechselnden Kleidern an den Mauern unserer Identität rütteln.

Die asiatischen Religionen stimmen uns hoffnungsvoller in Bezug auf Erlösung zu Lebzeiten, was ihre Attraktivität für den existenziell Verunsicherten der Postmoderne begründet. Sie deuten innere Befreiung und echtes Lebensglück als irdische Möglichkeit an und laden uns zu echter Lebendigkeit und mutigem Handeln ein, welches in religiöser Erfahrung wurzelt.

Dies gilt darüber hinaus auch für die wenig bekannten Formen der Lebenspraxis, welche sich in den westlichen, monotheistischen Traditionen finden. Denn der Erleuchtungsgedanke, als Idee der Gottesbegegnung und Vereinigung mit Gott zu Lebzeiten und die Idee eines Lebens in innigem Einklang mit der Tiefendimension unserer Existenz gibt es durchaus in unseren westlichen Traditionen.

Hier überwiegend in der wenig verbreiteten Mystik, die einen Weg zur Vereinigung mit Gott aufzeigt, beziehungsweise zur Erkenntnis unserer unauflöslichen Einheit mit dem Leben führen soll.

Mystische Wege, die eine ähnliche Anerkennung bei den breiten Massen und den von diesen Massen mit Macht Ausgestatten fanden, wie alle wahrhaftigen und lebendigen Wege, welche die bestehende Ordnung in Frage stellen.

Die mystischen Wege, die von den machtverliebten Hütern vermeintlich religiöser Wahrheiten immer wieder in die Sphäre des Ketzerischen verbannt wurden und von den Moralaposteln moderner Geschäftigkeit als Tendelei und Müßiggang gebrandmarkt werden, weil diese Wege den Menschen zu einer inneren Freiheit führen konnten und können, welche ihn aus dem engen und lebensverneinenden Griff kirchlicher Prediger, eingebildeter Wahrheitshüter und weltlich-moralischer Ordnungserhalter erlöst.

Mystische „Subversive“ wie Meister Eckehart und Jesus Christus wurden Opfer der Verfolgung durch die religiösen Institutionen ihrer Zeit, während die Opfer heute in anderen Kontexten erscheinen und von anderen verfolgt werden, weil sie mit ihrer Wahrhaftigkeit, ihrer Entschlossenheit und ihrem existenziell fundierten Mut die religiöse Führerschaft, die gesellschaftliche Gestaltungshoheit und den politischen Machtanspruch einer egozentrischen Pseudoelite massiv in Frage stellten und stellen.

Heute können wir vieles infrage stellen und uns in diesem Fragen, das sich nach außen wendet, als Veränderer und Wegbereiter der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit fühlen. Doch in Wirklichkeit halten wir damit die gegenwärtige Ordnung, die sich in hoher (ir)rationaler Rotation um menschliche Belange, großem Aktionismus und absurder Ambition äußert, aufrecht.

Vielleicht könnten wir uns selbst, unsere Lebensweise und unsere existenzielle Orientierung von der herrschenden Unordnung infrage stellen lassen, um in uns und in achtsamem Handeln auf die leisen und wenig offensichtlichen Antworten zu lauschen.

Mehr und mehr Menschen wenden sich dieser Möglichkeit zu. Die Sehnsucht ist spürbar, wenn auch manchmal in exotisch wiederbelebtem Aberglauben, der sich in Glücksarmbändchen an Handgelenken von Bundestrainern bei wichtigen Fußballspielen äußert. Mitunter auch dekorativ mit taoistischen Steinfiguren in Wellnessoasen oder romantisch bemoosten Buddha-Köpfen in japanisch anmutenden Vorgartenkompositionen.

Viele Menschen setzen sich mit Spiritualität auseinander, theoretisch über einschlägige Literatur und praktisch in den Wochenendretreats anerkannter spiritueller Traditionen oder beim T’ai Chi Kurs des anerkannten Meisters einer traditionsreichen Linie.

Doch wo führen die wilden, mystischen und exotischen Wege hin? Kann uns irgendjemand auf diesen Wegen leiten? Können wir auf diesen wirklich glücklicher, wahrhaftiger und lebendiger werden, gar Erleuchtung in diesem Leben finden?

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Mista Lazy Moe

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