Das ganze Zeug abfackeln Copy

Du hast tolle Sachen im Internet gesehen. Wo sonst?

Du hast tolle Geschichten gehört, von Menschen die krasse Sachen gemacht haben, an exotischen Orten waren und wer weiß was im Leben ausprobiert, gemacht und abgezappelt haben.

Und jetzt hast du eine krasse Liste von Dingen zusammengestellt, die du machen, besitzen oder besuchen möchtest.

Vielleicht nennst du diese Liste Millenial-like Bucket-List. Vielleicht bist du eher Old-School unterwegs und sprichst nach Viktor Frankl von Sinnorientierung oder nach Stephen Covey von Lebensfeldern und übergeordneten Zielen.

Aus jeden Fall bist du dir vollkommen sicher: Bevor du den Löffel abgeben musst, willst du die Punkte auf deiner Liste abhaken.

Wow! Das fühlt sich krass und geil an, oder? Und es beflügelt dich total. Zwei Tage, drei Tage, maximal eine Woche.

Zielorientierung, zumal große Ziele und Visionen, sind das vermeintliche Wundermittel der Motivationsgurus

Nimm dir etwas vor. Nimm dir etwas Großes vor. Interpretiere die Spannung zwischen Vision und aktueller Realität als geilen Nervenkitzel. Pumpe Adrenalin, Serotonin und Dopamin in deinen Organismus. Und dann finde heraus, ob du diesen mentalen Euphorieritt länger als eine Woche durchhältst.

Und klar: Spaß, Lust und Euphorie sind wundervolle innere Phänomene. Jede Vision, jedes große Ziel fühlt sich an wie frisch verliebt.

Umso anstrengender und frustrierender, wenn zwei Dinge dann ähnlich dem anfänglichen Taumel des Verliebtseins eintreten: Die Wirkung des selbst-generierten Rausches lässt nach und du bist deinem Ziel auch nicht annähernd näher gekommen.

Mich hat dieser schmerzliche Sachverhalt irgendwann dazu eingeladen, das Thema Zielorientierung etwas intensiver unter die Lupe zu nehmen. Und das würde ich jetzt gerne mit dir machen.

Aber was passiert, wenn wir Zielorientierung unter die Lupe nehmen?

Die dominanten Meme, wenn es um Motivation geht, lauten Zielorientierung, Sinnorientierung und übergeordnete Ziele. Und Zielorientierung, richtig verstanden, funktioniert tatsächlich, darauf kommen wir später noch einmal zurück.

Interessanterweise entwickeln Locke und Latham in ihrem Buch Theory of Goal Setting and Task Performance aus dem Jahr 1990 eine Theorie, welche Performance und Zielorientierung positiv zueinander in Beziehung setzt. In einem weiteren Buch, New Developments in Goal Setting and Task Performance aus dem Jahre 2017, das zwei Jahrzehnte Forschung zum Thema zusammenfasst, kommen sie allerdings zu einer differenzierteren Theorie.

Mit dieser differenzierteren Theorie widerlegen sie die Allgemeingültigkeit ihrer ursprünglichen Annahmen und Forschungsergebnisse

Ihrer neueren Theorie zufolge gilt der Zusammenhang zwischen Zielen und Performance dann, wenn wir sie auf einfache und überschaubare Ziele anwenden. Aber dieser Zusammenhang fällt weg, wenn es um übergeordnete, also komplexe und umfangreiche Anforderungen geht.

Denn dann haben wir es mit einem wenig überschaubaren Weg zum Ziel zu tun. Dabei fällt die Möglichkeit weg, unsere Energie klar auszurichten. Und es wird äußerst schwierig, zeitnah an hilfreiche Rückmeldungen zu gelangen, die uns Orientierung im Bezug auf das Gesamtziel ermöglichen.

Aber wenn übergeordnete Ziele wenig motivierende Kraft entfalten, wofür sind diese Ziele dann überhaupt von Nutzen?

Übergeordnete Ziele können zwei Funktionen erfüllen. Und die erste Funktion, das sei vorausgeschickt, ist eher ironischer Natur.

Wir können uns an Visionen und Träumen berauschen.

Das ist die erste “Funktion”. Dummerweise fühlen wir uns schlecht, unfähig und ohnmächtig, sobald der Rausch nachlässt. Der Euphorie-Kater kann mit echten Entzugssymptomen einhergehen. Doch das muss uns ebenso wie im Umgang mit anderen Rauschmitteln, nicht davon abhalten, uns immer wieder an Visionen und großen Hoffnungen zu berauschen.

Aber nicht nur bei den Entzugserscheinungen gibt es eine Parallele zu Stoffen, die wir von außen zuführen, um unsere Stimmung in irgendeiner Art zu beeinflussen. Wenn wir uns ausdauernd pseudo-motiviert berauschen, dann laufen wir Gefahr, unser Leben und unsere Motivation zu zerrütten.

Aber es gibt auch eine sinnvolle und hilfreiche Art, uns mit den großen Ideen und Hoffnungen für unser Leben auseinanderzusetzen.

Das gelingt dann besonders gut, wenn wir den Zugang zu echter, nachhaltiger Motivation für uns erschlossen haben. Und das ist etwas, dass du mit den Inhalten in diesem Kurs nach und nach tun kannst.

Wir können einen wohlig brummenden Flow und eine geschmeidige Produktivität kultivieren. Auf dieser Grundlage können wir uns unseren übergeordneten Zielen zuwenden und dabei abgeklärter an die “Sache” herangehen. Dann können wir unsere Herzenswünsche als Gestaltungseinladungen begreifen und uns offenherzig auf Erkundungstour begeben.

Auf diese Art werden übergeordneten Ziele zu spannenden Motiven, die uns auf existenziellen Entdeckerfahrten leiten können. Und wenn es darum geht, uns zwischen Entwicklungsoptionen zu entscheiden, können wir sie als Orientierungshilfe und Leitmotive für unser Handeln nutzen.

Wenn wir aufhören, unsere übergeordneten Ziele als Motor unserer Motivation nutzen zu wollen, dann können sie ihre Sinn- und Lustspendenden Qualitäten entfalten.

Große Ziele und Visionen taugen also leidlich als Motivationsmotor. Macht nichts, wir können uns ja immer noch auf unsere Willenskraft verlegen. Und das führt uns zum nächsten Mythos…

Ein bisschen mehr Willenskraft gefällig?

Aber sicher! Da liegt deine Motivation begraben. Du bist faul. Warst du in der Schule schon oder immer mal wieder. Und nein, das lag nicht an den physischen und hormonellen Umbauarbeiten in deinem Körper. Es lag auch nicht daran, dass mit einem Mal so viele Entwicklungseinladungen auf dich eingeprasselt sind, dass Kapitulation als letzte Option übrigzubleiben schien. Und es lag auch nicht daran, dass man dich über Jahre zum Stillsitzen verdonnert hat, während dein Körper nur eines wollte: durch die Gegend stromern, rennen und tanzen. Nope! Du bist faul und undiszipliniert und wahrscheinlich liegt das in der Familie…

Aber vielleicht gehörst du tatsächlich zu den Willensstarken, den Ambitionierten, den Ziel- und Leistungsorientierten.

Dann bleibt nur zu hoffen, dass du die kognitiv anspruchsvollen Aufgaben an den Beginn des Tages legst. Es bleibt zu hoffen, dass du dir über den Tag hinweg allzu anspruchsvolle kognitive Herausforderungen vom Leibe hältst. Dazu gehören der Umgang mit komplexen Fragestellungen, Entscheidungen in mehrdeutigen Kontexten oder innere Kämpfe gegen vielfältige Versuchungen.

Zum Ende des Tages hin wird es immer schwieriger, irgendetwas auf die Reihe zu bekommen und unseren Prinzipien treu zu bleiben. Und es wird noch schwieriger, wenn der Zuckerspiegel in unserem Hirn ins Bodenlose fällt. Das kann dich in eine sehr herausfordernde Situation versetzen, wenn Süßigkeiten in der Gegend herum liegen und du eigentlich an deinen Gewichts- und Fitnesszielen festhalten möchtest. Die Wissenschaft spricht von Ego-Depletion und der Ego-Depletion-Theorie: Unsere Willenskraft erschöpft sich im Laufe des Tages, wenn wir sie häufig einsetzen.

Und wenn sie erschöpft ist, sei es durch widrige und anspruchsvolle Lebensbedingungen, hohe kognitive Anforderungen oder einen heftig schwankenden Zuckerspiegel, dann wird es immer schwieriger, uns zur Bewältigung einer anspruchsvollen Anforderung aufzuraffen. Ebenso schwierig wird es, uns leckere Verführungen vom Leib zu halten.

Manche munkeln, wir könnten unsere Willenskraft stärken

Aber da finden wir keine Gewissheit. Denn Roy Baumeister, der Begründer der Ego-Depletion-Theorie, und andere wissenschaftliche Geister sind sich über diese Möglichkeit uneinig.

Was wir aber mit Sicherheit stärken können, das ist unsere Selbstdisziplin – oder zumindest das, was von außen wie Selbstdisziplin wirkt.

Aber das geschieht weder im luftleeren Raum, noch mit übermenschlichem Ehrgeiz oder heroischen Aktionen.

Wie uns das gelingt, darüber sprechen wir unter anderem, wenn es um die Grundlagen der Motivation geht.

Bleibt noch ein letzter Mythos, der sich hartnäckig hält und sich einer geradezu inflationären Verbreitung im Internet rühmen darf…

Todo-Listen und strukturiertes Zeitmanagement sind wundervolle Mittel der Selbstorganisation

Das gilt vor allem für jene Menschen, die sie am wenigsten brauchen: Menschen, die entspannt in der Lage sind ihre Leistungskraft einzuschätzen, ein gutes Gefühl dafür haben, was wann dran ist, und Spaß daran haben, wenn die Dinge strukturiert und nach Plan verlaufen.

Das Gegenteil gilt für prozess-orientierte Menschen

Diese tun sich mit der Selbsteinschätzung schwer, lassen sich gerne vom Lauf der Dinge überraschen und agieren gerne spontan und impulsiv. Diese können mit gewöhnlichen Todo-Listen und traditionellem, planvollem Zeitmanagement meist wenig anfangen.

Das Gegenteil ist wahrscheinlicher. Wenn prozess-freudige Entwickler, kreative Macherinnen oder besessener Forscher die Werkzeuge des traditionellen Zeit- und Aufgabenmanagements auf sich anwenden, dann machen sie meist die Erfahrung, dass sie genauso wenig erreichen wie zuvor, wenn nicht weniger.

Die einen fühlen sich bestätigt, die anderen ohnmächtig

Struktur-affine Menschen fühlen sich bei der Anwendung klassischer Zeitmanagementansätze bestätigt. Sie haben aber sonst relativ wenig von den Werkzeugen. Sie arbeiten sowieso auf diese Art und haben ihren eigenen Stil vermutlich schon entwickelt.

Prozess-orientierte Menschen werden mit der Anwendung dieser vermeintlich hilfreichen Allheilmittel noch frustrierter als zuvor. Die ursprünglichen Aufgaben rücken in noch größere Ferne. Häufig auch, weil sich die prozess-orientierten Menschen vollständig in negativen Monologen verlieren. Und zur fühlbaren Unproduktivität gesellen sich Gefühle der Ohnmacht. Es scheint unmöglich, die eigene Produktivität zu steigern und dem Gefühl ständigen Scheiterns zu entkommen.

Wir sind allzu oft geneigt auf das Wissen vermeintlicher Experten und der Allgemeinheit zu bauen

Experten scheren über einen Kamm, so wie ich hier. Die Allgemeinheit betet nach. Und wir stellen unsere eigene Erfahrung und Intuition hinten an. Aber werden die vermeintlichen Weisheiten durch die große Zahl derer, die sie nachbeten auch wirkungsvoll?

Manchmal fehlt uns tatsächlich entscheidendes Wissen. Manche wirkungsvollen Ansätze leiden unter einer geringen Verbreitung und sind angesichts des sperrigen Common Sense schlecht zugänglich.

Wäre es anders, wüssten Prozess-Orientierte um mögliche Auswege. Und struktur-affine fänden Zugang zu neuen Ansätzen, die sie tiefer in ihre Lebendigkeit hinein führen.

Listen können auch für den weniger struktur-affinen Menschen durchaus von Nutzen sein.

Und dem Zeitmanagement gebührt ein wesentlicher Platz unter den drei Ansätzen wesentlicher, lebendiger und nachhaltiger Motivation.

Allerdings geht es dabei um gegen-intuitive Ansätze, die der Idee der totalen Kontrolle und Steuerung unserer Produktivität auf erleichternde Art zuwider laufen. Und das kommt am Ende beiden hier voneinander abgegrenzten Personengruppen zu Gute.