Auf der ersten Stufe der Selbstwirksamkeits-Segensspirale (SSS) legen wir unser Augenmerk ausschließlich auf eine Sache: erfolgreich handeln. Aber natürlich schwingt beim Begriff des Erfolgs der Begriff des Scheiterns implizit mit. Auf der zweiten Stufe der SSS schaffen wir Scheitern als Option komplett ab, aber dazu kommen wir später.
Wir wollen unseren Motivations-Akku laden. Wir wollen die Quelle unserer Ambition anzapfen. Wir wollen eine innere Verfassung der Antriebslosigkeit überwinden. Und das machen wir, indem wir Gefühle des Ungenügens abschaffen. Deswegen ist unser Hauptanliegen, wenn es um Motivation geht, Erfolg unter allen Umständen sicherzustellen.
Nochmal: Das gilt nur auf der ersten Stufe. Sobald wir die zweite Stufe erreichen, können wir wieder wagemutiger werden und Misserfolge riskieren. Und das können wir aus einem ganz einfachen Grund tun: Misserfolge bekommen ab der zweiten Stufe eine vollkommen neue Bedeutung.
Tatsächlich verwandelst du auf der zweiten Stufe dein ganzes Leben von einem Kampfschauplatz in einen Dancefloor. Und du verwandelst die Tragödie in eine lebenswerte Komödie.
Wir ändern unsere Sprachgewohnheiten und nennen in dankbarer Anlehnung an David Allen (den Autor des Buches “Getting things done”) alles, was länger als zwei Minuten dauert oder mehr als zwei Schritte braucht “Projekt” und nicht mehr “Aufgabe”.
Dann messen wir unseren Erfolg nicht mehr daran, ob wir irgendein Projekt bewältigen, sondern daran, ob wir die konkrete Aufgabe, die wir vor uns haben, bewältigen oder nicht.
Wenn wir die aktuelle Aufgabe erledigen, dann sind wir erfolgreich. Und wenn wir erfolgreich sind, dann feiern wir das innerlich mit einem Lächeln und einem unauffälligen “das hat ausgesprochen gut geklappt!”
Das Schöne daran: Bei zwei Schritten und zwei Minuten wird es ausgesprochen schwierig zu scheitern.
Und was noch genialer ist: Bei durchschnittlichen 16 Stunden Wachzeit pro Tag, verfügen wir plötzlich über nahezu 480 Gelegenheiten, erfolgreich zu sein und uns für unser erfolgreiches Handeln zu feiern. Und das gilt vollkommen unabhängig davon, welche Rolle die Bewältigung dieser Aufgabe im Gesamtzusammenhang unseres Lebens und der Welt insgesamt spielt.
Mit dieser minimalen Veränderung unserer Perspektive, mit dieser kleinen Anpassung, was unsere Geschichten über Erfolg und Misserfolg angeht, schaffen wir ein Fundament für unsere Motivation, auf das wir uns verlassen können. Es geht um unsere Entscheidung, ausschließlich Aufgaben als Aufgaben zu verstehen. Es geht darum, unsere Erfolge auf dieser niederen, minimalen Ebene zu erkennen. Und es geht darum, diese kleinen Erfolge einen nach dem anderen zu feiern.
Mit jedem kleinen Erfolg und jeder kleinen Party, die wir diesem kleinen Erfolg zu ehren feiern, nehmen wir Fahrt auf, um uns der nächsten Aufgabe mit Elan und Esprit zuzuwenden.
Ob du es glaubst oder nicht: In diesem inneren Haltungswechsel liegt der Schlüssel zu unserer Motivation in nahezu jeder Alltagssituation. Aufgrund der engen Verbindung zwischen Erfolg, Motivation und Glück liegt darin darüber hinaus auch der Schlüssel zu einem Glück, das bisher nur den Einfältigeren vergönnt war.
Es ist schwierig, uns täglich an die Dinge zu erinnern, die wir tun müssen, wenn wir unseren übergeordneten Zielen näher kommen wollen. Dabei kann es um Fitness gehen, um unsere berufliche Entwicklung, um Studienerfolg oder irgendetwas anderes.
Aber uns aufzuraffen ist noch viel schwieriger, als uns an die wichtigen Aktivitäten zu erinnern. Laufen gehen, uns um die Buchhaltung kümmern oder an unserer Recherche dran bleiben: Es ist einfach, diese Dinge ein- oder zweimal zu machen. Es ist ebenso einfach, wenn auch ungemütlich, an diese Dinge mit einem schlechten Gewissen zu denken.
Aber dran bleiben? Da kommen wir meist schnell an unsere Grenzen. Und wir wissen mittlerweile auch, wieso das so ist: Die Bedeutung und Wichtigkeit unserer übergerordneten Ziele hat nahezu keinen Einfluss auf unseren Antrieb, allenfalls auf die Ausrichtung unseres Handelns und unsere Entscheidungen.
Deswegen besteht unter Produktivitätsgurus und ihren Schülern große Einigkeit Wenn wir in unserem Leben etwas auf die Reihe bekommen wollen, dann sind Gewohnheiten dabei sehr hilfreich. Schärfer formuliert: Gewohnheiten sind entscheidend, wenn es darum geht, größere Ziele zu verwirklichen oder Standards in unserem Leben auf Dauer aufrecht zu erhalten.
Gurus und Schüler gehen dann meist dazu über, sich vermeintliche Aufgaben oder neu-deutsch Todos vorzunehmen, die wir Klügeren mittlerweile “Projekte” nennen. Dazu gehören Gewohnheitsprojekte wie eine Stunde ins Fitness-Studio, eine halbe Stunde morgens und abends meditieren oder morgens drei Stunden konzentriert am wichtigen Projekt arbeiten.
Das Augenmerk legen die vermeintlichen Produktivitätshelden auf Kontinuität. Einen möglichst langen Streak hinlegen, das ist entscheidend. Gemeint ist eine lange Reihe von Tagen, an denen wir ohne Unterbrechung jenes Projekt absolvieren, das wir in eine neue Gewohnheit überführen wollen.
Und etwas weiteres bringen die Möchtegern-Produktivitätshelden an den Start: Habit-Chaining, zu Deutsch, unterschiedliche Gewohnheiten aneinander koppeln. Auf diese Art wollen sie eine Gewohnheit in einen Trigger für die nächste verwandeln. Und all das ist schön und gut.
Wir weniger Begabten scheitern mit dem Vorhaben, eine neue Gewohnheit in unserem Leben zu etablieren. Wieso? Wir nehmen uns zuviel vor. Und der geniale Trick, den die Gurus empfehlen, wir sollten unsere Ziele öffentlich zu machen, um die Selbstverpflichtung zu erhöhen hilft auch wenig. Eher im Gegenteil: Zu unserem Versagen gesellt sich die öffentliche Schmach.
Wie gut, dass uns das Leben Stephen Guise mit seinem Buch Mini-Habits geschickt hat. Denn er schlägt in Anlehnung an Bandura vor, unsere ehrgeizigen Gewohnheitsvorhaben durch minimale zu ersetzen.
Du möchtest jeden Tag Laufen gehen? Nimm dir vor, jeden Abend deine Laufsachen bereitzulegen. Und vergiss das Vorhaben, das Haus zu verlassen oder das Laufband zu betreten.
Du möchtest jeden Tag eine Stunde meditieren? Zünde jeden Tag einmal ein Räucherstäbchen an oder atme drei Atemzüge bewusst. Und vergiss die Idee, du müsstest dich mit verschränkten Beinen zweimal eine halbe Stunde auf ein Kissen zubringen.
Du möchtest mit deinem Projekt voran kommen? Schalte jeden Tag einmal den Computer an und überfliege deinen Projektplan. Und vergiss die Idee, du müsstest dich drei Stunden hinhocken und tatsächlich an deinem Projekt arbeiten.
“Mit Sicherheit” bedeutet hier: Komme, was wolle. Das gilt auch und vor allem dann, wenn es darum geht, neue Gewohnheiten zu kultivieren. Nimm dir weniger vor. Nimm dir minimal wenig vor.
Und klar, du darfst mehr machen, als du dir vorgenommen hast. Aber du verpflichtest dich innerlich ausschließlich zu dem absoluten Minimum, dass du unter allen Umständen tun kannst und wirst.
Wenn du das Minimale geschafft hast, dann bist du erfolgreich. Und weil du es jeden Tag schaffst, etablierst du mit überschaubarem Aufwand neue Gewohnheiten.
Aber das Gegenteil ist der Fall. Es ist total einfach, uns etwas Großes vorzunehmen und damit zu scheitern. Was viel schwieriger ist: Uns etwas Großes vornehmen und erfolgreich zu sein. Aber es gibt etwas, das genauso einfach ist wie ehrgeizig scheitern: minimale Anforderungen meistern.
Aus jedem kleinen Feuer kann sehr schnell eine großes Feuer werden. Genauer gesagt: Jedes große Feuer beginnt mit einem kleinen. Für einen monumentaen Waldbrand genügt die winzige Glut einer Zigarrette, die wir unachtsam aus dem Auto schnippen.
Du kennst den Effekt sicher auch aus der Domino-Chain-Reaction, die als Video im Internet kursiert. Das kleinste Domino ist einen halben Zentimeter hoch und einen Millimeter dünn. Das größte Domino ist einen Meter hoch und wiegt etwa 50 kg. Dazwischen befinden sich elf weitere Steine, jeder etwa eineinhalb mal so große wie der vorherige.
Auf die gleiche Art etablieren wir mit Mini-Habits und Mini-Habit-Chains Trigger-Aktivitäten in unserem Leben. Wir sind unermüdlich erfolgreich mit diesen Aktivitäten. Wir feiern uns still und heimlich dafür. Ständig. Und die Energie des Erfolgs, die Power unserer kleinen Parties überführen wir direkt in die nächsten Aktivitäten.
Diese Aktivitäten können eine Fortsetzung dessen sein, was wir mit unserer Mini-Gewohnheit quasi begonnen haben. Vielleicht gehen wir laufen. Vielleicht setzen wir uns hin und meditieren. Vielleicht setzen wir uns an den Computer und arbeiten an unserem Projekt. Es kann aber auch etwas anderes sein. Wir sind vollkommen frei, unserer existenziellen Spur treu zu bleiben und das zu tun, was gerade dran ist.
Unabhängig davon, ob es sich um unsere neue Definition von Aufgaben handelt oder um Mini-Gewohnheiten: Unser wesentlicher Job besteht darin, uns für das zu feiern, was wir gerade geschafft haben.
Du kommst nicht aus dem Bett? Dreh dich auf die andere Seite und feier dich, wenn es dir gelingt. Du hast keinen Bock auf die Arbeit? Dann putz erst mal deine Zähne und freu dich darüber. Du hast keinen Bock, das Haus zu verlassen? Kein Problem, schenk dir erst einmal ein Glas Wasser ein, trinke einen Schluck und gratuliere dir zu diesem erstaunlichen Erfolg.
Ob du es glaubst oder nicht: Das ist der einzige Schlüssel, den es für deine Motivation gibt. Und es ist glücklicherweise auch der einzige Schlüssel, den du brauchst. Also fast…
Du verfügst über 480 Gelegenheiten pro Tag, dich zu feiern und deine Ambition anzuzapfen. Es ist an dir, diese Gelegenheiten zu nutzen. Es ist an dir, Berge zu versetzen. Ganz entspannt. Mit dem Teelöffel.
Zum Zusammenhang von Selbstwirksamkeitserwartung und Motivation empfehle ich dir zur Vertiefung das Buch “The Motivation Myth” von Jeff Haden. Aber wir können noch einen Schritt weiter gehen.
Damit wir für jede Situation in unserem Alltag gewappnet sind, gehen wir im nächsten Schritt noch ein bisschen weiter und ergänzen den Schlüssel mit einem Dietrich.