Artikelserie
Biographische Notizen
- Die Anfänge
- Zen-Eskapade
- Engagiertes Zappeln
- In die dynamische Mitte kommen
- Intensiv und gelassen leben
Dies ist der vierte Beitrag in der Artikelserie “Biographische Notizen”
Zu mir kommen aka Keine Spiritualität, keine Potentialentwicklung und keine Leichtigkeit
Was passiert, wenn man immer gerannt ist und die Kräfte sich erschöpfen? Was passiert, wenn die Hoffnung auf Erlösung kaum noch über die Gegenwart hinaus reicht? Was passiert, wenn man ahnt, wie klug der Kopf ist und wie sehr ihm die Weisheit des Körpers abgeht? Die Antwort ist einfach:
Der Mensch kommt zu sich.
Doch das ist manchmal viel unbequemer als es klingt.
Es war eine sehr verwirrende Situation, als die Grundideen, auf welchen ich mein Leben errichtet hatte, nach und nach in sich zusammenbrachen. Es war geradezu bedrohlich, als all die Geschichten und inneren Muster im Leerlauf aufheulten, aber keine Wirkung auf mein Handeln mehr entfalten konnten. Das Rennen hatte aufgehört und alles, was ich bisher vermeiden wollte, alles, wovor ich geflohen war, brach über mich herein.
Es war ein guter Zeitpunkt, denn ich war gut vorbereitet, als es endlich dazu kam.
Alles war immer da gewesen
Doch eigentlich ist das eine wenig adäquate Beschreibung, denn es brach nichts herein. Alles war immer da gewesen, doch ich hatte aus meinem Schutzbedürfnis heraus vielen Gefühlen, Gedanken und Verfassungen den Zugang zu meiner Wahrnehmung verwehrt.
Nun, da ich damit aufgehört hatte, kamen viele schlimme und bedrohliche Gedanken zu Besuch. Viele komische und verwirrende Gefühle zogen mich in ihren Bann. Ich saß einfach da und schaute mir endlich alles an. Viele Tage saß ich stundenlang auf dem Sofa. Wann immer ich mir die Frage stellte, was dran sei, und keine Antwort kam, blieb ich sitzen und nahm einfach wahr, was war.
Einige gefährlich anmutende emotionale Minen wurden unter dem ganzen Gerümpel sichtbar und ich tat das Richtige: Ich ging zu einer Therapeutin, die unter anderem darauf spezialisiert war, solche emotionalen Minen als Folge traumatischer Erfahrungen zu entschärfen. Ein Glück, dass die Traumatherapie in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hatte.
Sehr gefährlich wirkende Bomben entschärften wir pragmatisch und effektiv. Um das Räumen der Fundstelle kümmerte ich mich dann im Stillen, wenn ich alleine war.
In die Mitte kommen
Ich kann niemandem erklären und werde nie jemandem erklären können, wie es sich anfühlt, wenn man siebenunddreißig Jahre auf der Flucht war und endlich seine Heimat findet – die lebendige, dynamische und leichte, wohlgemerkt. Ich hatte die Hoffnung aufgegeben. Meine Bemühungen um Erlösung und Heilung waren gescheitert. Genau in diesem Moment konnten mich Leben und Heilung endlich einholen.
Es ist schwierig zu erklären, wie tief und weit die Erkenntnis in meinem Inneren um sich griff, dass ich etwas versucht hatte, was ich gar nicht leisten konnte:
Ich wollte mir selbst Halt geben und verschaffen. Und warum konnte ich es nicht leisten?
Weil es gar nicht nötig war.
Das Leben war immer da gewesen und hatte mich gehalten, doch ich hatte solch große Angst gehabt, diese Möglichkeit ernsthaft auf die Probe zu stellen.
Und vielleicht ist das die einzige Art, wie wir untergehen können:
In dem wir dort um Halt kämpfen, wo uns das Leben halten, führen und tragen will. Je mehr wir zappeln, rennen und uns um Orientierung bemühen, je mehr verlieren wir uns selbst und den Kontakt zum Leben.
Das achtsame Lustprinzip
Ich ließ alles laufen und orientierte mich an einer einzigen Frage oder besser dem, was ich mittlerweile das Achtsame Lustprinzip nenne:
Was ist jetzt dran, in Resonanz mit mir selbst und in produktiver Spannung mit Menschen und Dingen?
Oft passierte in meinem Inneren wenig. Da war kaum etwas, mit dem ich wirklich in Resonanz gehen konnte. Die Impulse flackerten so vor sich hin und ich beobachtete das ermüdende Spiel.
Wenn Impulse aufkamen, die stark genug waren, um mich in Bewegung zu versetzen, dann war die Spannung zu Menschen und Dingen meist groß – zumal in den Bereichen Geld und Partnerschaft, aber auch darüber hinaus. Also kehrte ich schnell wieder in meine “Einsiedelei” zurück.
Innen wurde es endlich ruhig und außen wurde sichtbar, in welches Chaos ich mein Leben durch all das Gerenne und Gekämpfe verwandelt hatte. Doch trotz des äußeren Chaos, welches in der ersten Zeit zuzunehmen schien, blieb es in der Tiefe ruhig, aufgeräumt und geborgen.
Ich war immer gerannt. Jetzt fühlte es sich an, als sei ich angekommen. Doch es war nicht das ursprünglich erhoffte Ankommen in irgendeiner Art von heiliger Glückseligkeit oder Erleuchtung. Es war ein Ankommen in der manchmal unbequemen, lauten und fordernden Bewegung des Lebens selbst.
Das Leben feiern
Und in diesem Ankommen wurde mir etwas bewusst:
Das Leben hat viele angenehme und schöne Facetten, aber auch schräge, unbequeme und bis an die äußersten Grenzen fordernde. Wir sollen dieses Leben in all diesen Facetten feiern und achtsam handelnd durchdringen. Auch und gerade, wenn es um die unbequemen geht.
Unser Humor und die Leichtigkeit in unserem Leben wachsen exponentiell mit jeder unbequemen Facette, die wir angemessen in unser Leben integrieren, aus diesem entlassen oder auflösen.
Nach Leichtigkeit hatte ich mich nicht sehnen können, denn ich lernte sie nun das erste Mal kennen.
Und weil ich die Leichtigkeit jetzt ganz besonders schätze, hier ein ganz besonders leichter Song. Plug in your headphones or turn on them speakers. Some Electro Swing Funky House Crossover by Louie Prima and Wolfgang Lohr – Black Coffee. Damn’ move it!
[soundcloud id=’216642085′]Danke an Tom Hoffmann (auch) für die Bilderserie (aus ziemlich wilden Zeiten …)