Artikelserie
Biographische Notizen
Zen-Eskapade – aka falsch verstandene Spiritualität, unterdrückte Ambition und fehlende Leichtigkeit
Auch wenn der Redewendung nach, aller Anfang schwer ist, so hatte ich doch immer den Eindruck, andere täten sich mit dem Anfang leichter und würden den größeren Schwierigkeiten erst im Laufe der Zeit, spätestens mit dem Alter begegnen. Bei mir jedenfalls traf das Sprichwort im doppelten Sinn ins Schwarze: Es traf auf mich zu und indem es auf mich zu traf, war bereits oder vor allem der lange Anfang düster.
Die ersten siebzehn Lebensjahre schoss ich mit meiner Energie wild in der Gegend herum. Ich fand nirgendwo kompetente Zähmung im Sinne einer sinnvollen Orientierung oder eines sinnvollen Energieeinsatzes. Es war irgendwie kompliziert:
Ich war nicht nur temperamentvoll, höchst eigenwillig und orientierungslos,
ich war darüber hinaus ziemlich sensibel und verstört.
Da ich keine bessere Lösung fand, versetzte ich dieses innere Spannungsgemenge am Ausgang der Pubertät drei Jahre mit Haschisch in Tiefschlaf. Als sich diese Selbstmedikation aufgrund vielfältiger unerwünschter Nebeneffekte erschöpfte, suchte ich neue Wege, der inneren Dynamik Herr zu werden.
Was ich auch versuchte, Bioenergetik, Sport, Malen, Schreiben und verschiedene Entspannungsmethoden, ich konnte die wilden Stürme nicht besänftigen. Weil ich mit meiner wilden Energie, meinen vielfältigen Ideen und meiner Dünnhäutigkeit nicht umgehen konnte, erklärte ich all dies in einem ersten großen Schritt für das dumme Zeug eines verwirrten Menschen, der sich über seine spirituelle Herkunft und Bestimmung nicht im Klaren war.
Ich gelobte, dieser Unwissenheit und der wilden Energie den Garaus zu machen.
Die ultimative spirituelle Lösung
Mit zwanzig erklärte ich spirituelle Praxis zum Königsweg der Lebensmeisterung und entwertete berufliche Karriere sowie andere Elemente einer normalen Biographie als oberflächliches Geplänkel angepasster Spießer. “Das Licht nach Innen wenden” nennt sich das im Zen-Buddhismus. Zumindest verstand ich diesen buddhistischen Hinweis so und mühte mich damit ab, die unterschiedlichen Übungen einer Jahrtausende alten Tradition für meine Heilung und Beruhigung einzuspannen.
Ich scheute keine Mühen. Ich zog von Übungswochenende zu Übungswochenende, begleitete meinen Lehrer zu allen möglichen Veranstaltungen, gründete eine Übungsgruppe, einen Verein und beteiligte mich an der Gründung eines Klosters. Meine Berufstätigkeit, mein Lebensmittelpunkt und meine Partnerin waren verhandelbare Nebensachen. In der buddhistischen Praxis hielt ich die Verhandlungsspielräume eng – auch unter Zuhilfenahme der Autorität meines Lehrers, die ich auf mich selbst zu übertragen versuchte.
Wenn man diesen Anfang auf einen Nenner bringen wollte, so hieße dieser:
Falsch verstandene und eigenwillig praktizierte Spiritualität.
Ich unterdrückte meine Ambition, hatte keine Ahnung von Leichtigkeit und war ein extrem angespannter, pathetisch aufgeladener und anmaßender Pseudoweltverbesserer.
Das konnte nichts werden, auch wenn der Titel “Buddhistischer Mönch in der japanischen Soto-Zen-Tradition” oberflächlich beeindrucken konnte. Ich selbst glaubte mir nicht, denn ich spürte, was wirklich mit mir los war. Und ich verstehe bis heute kaum, wie es mir gelingen konnte, die ganze Verrücktheit der Situation so lange zu überspielen.
Verloren in der Bedeutungslosigkeit
Je länger ich mich auf dieser Lebensspur im Kreis um meine innere Unruhe und Hoffnung auf spirituelle Erlösung drehte, um so dünner wurden die Mauern meiner spirituellen Burg. Irgendwann wurden die Wände so dünn, dass die wehrhafte Burg in sich zusammen sackte. Die Verbindung zu dem, was mir über Jahre Halt, Orientierung und Bodenhaftung verliehen hatte, riss ab.
In gewisser Weise hob ich ab und fand mich treibend in einer weiten Welt, in der meine gefühlte Bedeutung ziemlich zusammen schrumpfte, nachdem ich mich lange zwischen den schützenden Mauern der spirituellen Gemeinschaft wichtig gemacht und gefühlt hatte.
Als wäre das noch nicht genug, tobte der wilde Sturm in meinem Innern noch immer…
Nach all’ dem Drama jetzt noch etwas Schönes und Sanftes für die Öhrchen. Plug ’em in or turn on your speakers. This is somethin’ different. Eric Satie meets Fender Rhodes …
[soundcloud id=’6095637′]Danke an Tom Hoffmann (auch) für die Bilderserie (aus ziemlich wilden Zeiten …)