Nachhaltige Zugänge


 

Wenn es direkte Möglichkeiten gibt, die Spannung in unserem Leben zu steuern, dann gibt es auch indirekte. Und das ist das, worauf ich in der Hauptsache verweise, wenn es darum geht, Stress zu managen.

Die kurzfristigen Taktiken können wir nutzen, um uns Spielräume zu schaffen, um Lernräume zu öffnen und um jene Erfahrungen zu verarbeiten, die wir dann machen, wenn wir uns den tieferen Einladungen der Stressphänomene in unserem Leben zuwenden.

Denn grundsätzlich verweisen uns Spannung, Stress und belastende Verfassungen in unserem Organismus auf Dinge, die wir verstehen, lernen und gestalten dürfen. Ich spreche in diesem Zusammenhang gerne von Lern- und Entwicklungseinladungen des Lebens.

Man könnte sagen, dass das ganze Stress- und Spannungssystem ein System ist, das uns auf drei Ebenen herausfordert:

  • Es fordert uns heraus, genau hinzuschauen, was da eigentlich mit uns passiert und womit wir es bei unseren Stressphänomenen eigentlich im Detail zu tun haben.
  • Es fordert uns heraus, zu lernen. Und lernen umfasst zwei Ebenen: verlernen und Neues lernen. Dinge zu verlernen, die wir fälschlicherweise gelernt haben. Fälschlicherweise im Sinne von: wir dachten es sei wichtig für uns, aber es hindert uns eher am Leben. Unser Stress lädt uns ein, Dinge zu lernen, die uns das ermöglichen, was uns wirklich wichtig ist im Leben.
  • Und das Dritte, wozu uns unser Stress und unsere Spannungen herausfordern, besteht darin, Verantwortung für unser Leben zu übernehmen. Unser Stress lädt uns ein, unser Leben nach den Kriterien zugestalten, die für uns wichtig, sinnvoll und bedeutsam sind. Unser Stress lädt uns ein, genauer hinzuschauen, was wir uns wünschen und unser Leben diesen Wünschen gemäß zu gestalten.

Und das bezieht sich auf drei große Ebenen:

  • es bezieht sich auf die materiellen Bedingungen unseres Lebens
  • es bezieht sich auf unsere Beziehung und Begegnung im Zwischenmenschlichen
  • und es bezieht sich auf unsere Beziehung zu uns selbst.

In diesen drei Bereichen sind wir eingeladen, genau hinzuschauen, unsere Potentiale zu entfalten und unser Leben zu gestalten.

Unser Spannungsniveau und unserer Stressniveau im Leben verweisen uns genau darauf. Und was wir da sehr schnell verstehen können, ist, das Hau-Ruck-Aktionen, Dinge übers Knie brechen, sei es in Beziehungen, sei es im Bezug auf die materiellen Umstände unseres Lebens oder in unserer Beziehung zu uns selbst, sich eher negativ auswirken. Wenn wir versuchen, die Dinge zu erzwingen, dann kommen wir in Teufelsküche.

Hinschauen, Lernen und Gestalten sind die Königswege, um unsere Spannung nachhatlig zu regulieren und das in unserem Leben zu kultivieren, was ich “produktive Glückseligkeit” nenne.

Innere Ruhe, Übersicht und Zugang zu unsere Vernunft sind wichtig, wenn es darum geht, genau hinzuschauen, zu lernen und zu gestalten. Und genau deshalb ist es wichtig, dass wir über die Zaubermittel, also jene Techniken verfügen, die uns ermöglichen, unser Spannung kurzfristig und direkt zu beeinflussen.

Wenn wir Spielräume erschließen, wenn uns das gelingt, dann reduzieren wir den negativen Stress, die negative Spannung und auch die hohen Spannungsniveaus in unserem Leben auf verschiedenen Ebenen.
Wir übernehmen Verantwortung und werden zu Gestaltern. Und das ist vielleicht sogar das wichtigste.
Sobald wir das Gefühl haben, dass wir in unserem Leben das bewirken können, was wir uns wünschen, verlassen wir die Position der Ohnmacht und die Position des Opfers.

Wir ermächtigen uns selbst. Und das gibt uns ein ganz anderes Grundgefühl im Leben.

Wenn wir dann beherzt gestalten und kontinuierliches Lernen als einen Prozess verstehen, der damit zu tun hat, dass wir Neues ausprobieren und experimentieren, dann fangen wir auf verschiedenen Ebenen an, uns als wirkungsvoller zu erleben. Das gilt umso mehr, wenn es uns gelingt, Spannung und situative Frustration über Fehler, die grundlegender Bestandteil von Lernen und Entwicklung sind, effektiv zu regulieren.

Dann können wir vermeintliche Fehler als wesentliche Rückmeldungen begreifen, die uns ermöglichen, unsere Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Dann lernen wir auf der Ebene der konkreten Fähigkeiten, aber wir lernen auch auf der Ebene des Lernens selbst. Wir werden Fehlerfreundlicher gerade dadurch, dass wir lernen mit Spannung und kurzfristigen Spannungsspitzen umzugehen.

Dann empfinden wir uns in dem kontinuierlichen Lern- und Entwicklungsprozess, der die Grunddynamik der menschlichen Exisenz ausmacht, mehr und mehr als effektiv. Dann verändert sich, auch nach Albert Bandura über das Thema der “Selbstwirksamkeitserwartung”, unser Grundgefühl im Leben. Und unser Stress verwandelt sich von einem Gift, das wir unbedingt entsorgen wollten, zu einem Messinstrument und Kompass für unsere existenzielle Navigation.

Wir können uns besser und selbstbewusster orientieren. Wir fühlen uns glücklicher und erfüllter. Und wir werden nach und nach kompetenter im Umgang mit Zielen und Projekten auf der Ebene materiellen Dinge, die wir entwickeln wollen im Leben. Wir werden beweglicher und wirkungsvoller auf der Ebene unserer Beziehungsgestaltung. Und wir werden kompetenter im Umgang mit uns selbst.

Das war die Einführung in die Impulse der Lernwerkstatt “Stressmanagement”.

Wir werden uns im weiteren überwiegend mit drei großen Feldern beschäftigen. Das sind die drei Felder, über die ich bereits gesprochen habe

  1. das Feld unserer Beziehungen und Begegnungen
  2. das Feld unserer materiellen Bedingungen oder unsere Beziehung zu den Dingen und unsere Lebensumstände
  3. sowie das dritte Feld, indem wir uns mit unsere Beziehung zu uns selbst beschäftigen.