Das Stärken unserer Selbstwirksamkeitserwartung über den Fokus auf Aufgaben funktioniert vor allem dann, wenn wir uns auf einfache Aufgaben in vorhersehbaren und gut überschaubaren Kontexten konzentrieren.
Aber es gibt einige Situationen, in denen wir weiterhin an unsere Grenzen kommen.
All diese Anforderungen nehmen weniger als zwei Minuten in Anspruch. Bei der Anzahl der Schritte könnten wir uns streiten, je nachdem wie wir die Bewegungsabläufe unterteilen.
Aber den letzten Moment, wenn wir bereits vor der Angebeteten stehen und nur noch den Mund aufmachen müssen, um etwas Geistreiches oder noch besser, Anschlussfähiges zu sagen, könnten wir schon als einen Schritt definieren.
Der komplette Lauf über die Klaviatur beim Rachmaninov-Konzert ist ein Projekt. Vielleicht auch ein großes Projekt. Aber das Umsetzen der Finger bei diesem Lauf ist ein einziger Schritt, an dem wir wiederholt scheitern können. Aber möglicherweise können wir genau dadurch zu Virtuosen werden: Indem wir an diesem Punkt feilen, statt in jenen Passagen zu schwelgen, die wir bereits brauchbar meistern. Zum Zusammenhang von Üben und Lernen, im Bereich der Musik und darüber hinaus, empfehle ich dir das Buch “First learn to Practice” von Tom Heany.
Und der Wurf auf die Dartscheibe ist auch eine einzige Handlung, die ordentlich ins Auge gehen kann – auch wenn wir uns darüber streiten können, ob es sich beim Dart tatsächlich um eine Sportart handelt.
Was tun sprach Beuys, wenn hier Scheitern im Raume steht und wir das Scheitern abschaffen wollen?
Wir können das bisherige Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung um ein kleines Detail erweitern, das unsere Selbstwirksamkeit in ungeahnte Höhen katapultiert. Wir können das Scheitern nicht ganz abschaffen, das sei dazu gesagt, aber nahezu. Wieso es nicht vollständig möglich ist, dazu kommen wir gleich.
Die wesentliche Erweiterung besteht darin, dass wir das Konzept von Erfolg und Scheitern ad acta legen und durch das Konzept der Lernorientierung ersetzen. Wir fassen den Entschluss, nicht mehr als Macher oder Macherin durchs Leben zu gehen, die Dinge tun und umsetzen. Stattdessen gehen wir als Forscher durch’s Leben. Wir probieren dauernd neue Dinge aus und lernen dazu. Und manche Dinge probieren wir dauernd neu aus. Das haben wir zuvor “Üben” genannt.
Das Gute daran: Wir können immer erfolgreich sein, egal welchem Experiment wir uns widmen, auch, wenn wir oberflächlich betrachtet scheitern. Die einzige Bedingung, die wir erfüllen müssen: Wir lernen etwas aus den Rückmeldungen beziehungsweise Ergebnissen unserer Experimente. Das Geniale daran: Auf der Nebenspur entfalten wir ganz entspannt Potentiale.
Stattdessen wenden wir uns der Frage zu, wie wir unsere Finger dazu bringen, die erforderlichen Bewegungsabläufe nachzuvollziehen. Wahrscheinlich schaffen wir es früher oder später. Bis dahin üben wir und sind erfolgreiche Lerner. Aber vielleicht kommen wir früher oder später zu der Überzeugung, dass es uns nie gelingen wird.
Oder wir finden heraus, dass wir lieber Jazz statt Klassik spielen wollen. Das ist vollkommen schnurz. Denn in jeder dieser Situationen haben wir etwas dazu gelernt. In jeder Situation waren wir also erfolgreich. Und mit jeder dieser Situationen nähren und stärken wir unsere Motivation.
Vielleicht stoßen wir wir mit unserem ursprünglichen Vorhaben an unsere Grenzen. Aber dann lernen wir etwas. Oft müssen wir die Versuchsanordnung anpassen, um zu Rückmeldungen zu kommen, die wir besser verarbeiten können. Das heißt, dass wir auf einer weiteren Nebenspur kontinuierlich etwas darüber lernen, wie wir besser lernen können.
Und manchmal wenden wir uns aus irgendeinem Grund von Experimenten ab und neuen Experimenten zu.
Bei dieser neuen Orientierung am Lernen rücken wir keinen Millimeter von unserer ursprünglichen Orientierung an Aufgaben ab. Und diese Aufgaben genügen weiterhin zwei Kriterien: Sie umfassen maximal zwei Minuten oder zwei Schritte. Stellt sich die Frage, wieso wir das Scheitern damit nicht ganz abschaffen können…